Wenn es zum Jahresende in der Sportwelt ruhiger wird, richten sich alle Augen auf die Skispringer, die traditionell nach Weihnachten zur Vierschanzentournee starten. Die Sprungschanzen in Oberstdorf, Garmisch-Patenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen umweht während der Feiertage ein ganz besonderer Mythos, wenn sich die Stars der Szene die Ehre geben und um die Trophäe des Goldenen Adlers springen.
Seit 1953 finden die Wettbewerbe in der gleichen Reihenfolge in den bekannten Skisprungstadien statt. Viele Sportler sind durch die Tournee berühmt geworden.
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Vierschanzentournee: Vier Springen in Deutschland und Österreich
Vier Schanzen in zwei Ländern bereisen die Athleten während der Vierschanzentournee. Den Auftakt macht traditionell das bayerische Oberstdorf im Allgäu. Auf der großen Schattenbergschanze liegt die Hillsize, also die Landezone, bei 137 Metern. Rekordhalter in Oberstdorf ist der Norweger Sigurd Pettersen, der 2003 auf 143,50 Meter sprang. Nach Oberstdorf folgt das Skispringen in Garmisch-Patenkirchen, das traditionell am Neujahrstag stattfindet. Die große Olympiaschanze am Gudiberg ist mit 142 Metern etwas länger. Den Schanzenrekord hält der Pole Dawid Kubacki mit 144 Metern.
Die Schanzen der Vierschanzentournee im Überblick
Oberstdorf | Garmisch-Partenkirchen | Innsbruck | Bischofshofen |
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Umbau / Neubau | ||||
Sigurd Pettersen (Norwegen), 2003 | Dawid Kubacki (Polen), 2021 | Michael Hayböck (Österreich), 2015 | Dawid Kubacki (Polen), 2019 |
Nach dem Neujahrsspringen legt der Tourneetross die kürzeste Anreise ins österreichische Bundesland Tirol zurück. In Innsbruck erwartet die Athleten die berühmte Bergiselschanze, die aufgrund der Windverhältnisse als schwierigste Sprungschanze der Tournee gilt. Auf dem Bergisel hält der Österreicher Michael Hayböck mit 138 Metern den Rekord. Die Vierschanzentournee endet alljährlich am Dreikönigstag auf der Paul-Außerleitner-Schanze in Bischofshofen. 25.000 Zuschauer finden rund um die Naturschanze Platz, die mit einer Hillsize von 142 Metern die größte der Tournee ist. Rekordhalter ist seit 2019 ebenfalls Dawid Kubacki mit 145 Metern.
K.O.-Springen als Besonderheit der Vierschanzentournee
Die Vierschanzentournee folgt innerhalb des Skisprung-Weltcups eigenen Regeln. Es werden zwar Punkte für die Saison vergeben, aber die Tournee besitzt eine eigene Gesamtwertung. Alle vier Springen folgen dem gleichen Schema, das mit einem Qualifikationsspringen beginnt. Die 50 besten Springer sind für den nächsten Tag qualifiziert und springen in Duellen gegeneinander. Dabei trifft der Beste der Qualifikation auf den Schlechtesten. Die Sieger der 25 Duelle kommen in die zweite Runde. Außerdem die fünf besten Verlierer (Lucky Loser).
Im zweiten Durchgang treten alle 30 Springer erneut an, wobei der Schlechteste des ersten Durchgangs den Anfang macht. Beide Sprünge eines Athleten gehen in die Wertung ein, sodass nach den vier Tourneestationen insgesamt acht Sprünge über den Sieg entscheiden. Der beste Athlet der Vierschanzentournee erhält für seine Leistung eine goldene Adler-Trophäe. Hinzu kommen Preisgelder in einer Höhe von etwa 100.000 Euro sowie Punkte für den Gesamtweltcup. Zudem erleben die Tourneesieger durch den prestigeträchtigen Erfolg oft einen steilen Karrieresprung.
Die Geschichte der Vierschanzentournee beginnt 1953
Die erste Vierschanzentournee fand bereits 1953 statt, damals noch als rein Deutsch-Österreichische Tournee. Erster Sieger wurde der Österreicher Josef Bradl, der 1936 auch als erster Mensch mit Skiern über 100 Meter weit sprang. Auf Bradl folgten direkt vier Jahre, in denen kein einheimischer Springer aus Deutschland oder Österreich gewinnen konnte, ehe Helmut Recknagel aus der DDR die Tournee dreimal gewann, unterbrochen nur vom Sieg des Oberstdorfers Max Bolkart 1959/60.
Der nächste Seriensieger war der Norweger Björn Wirkola, der die Vierschanzentournee zwischen 1967 und 1969 dreimal in Folge ganz oben auf dem Podium abschloss. In den 70er Jahren gewannen mit Horst Queck, Rainer Schmidt, Hans-Georg Aschenbach und Jochen Danneberg vier verschiedene Springer aus der DDR. In den 1980er Jahren gab es einige Doppelsiege. Dazu gehörten die beiden Österreicher Hubert Neuper und Ernst Vettori, der Finne Matti Nykänen sowie der unvergessene Jens Weißflog. Der Mann aus dem Erzgebirge gewann die Vierschanzentournee viermal und liegt damit auf Platz zwei der Rekordsieger.
Der unvergessene Vierschanzentournee-Triumph von Sven Hannawald 2002
In den 1990er Jahren war das Siegerfeld der Vierschanzentournee bunt gemischt. Es gewannen Athleten aus Finnland, Norwegen, Slowenien, Japan, Österreich und eben dem Deutschen Jens Weißflog. Kurz vor und nach der Jahrtausendwende gehörte die Skisprungwelt dem Finnen Janne Ahonen, der die Tournee insgesamt fünfmal gewann und seither Rekordsieger ist. Ihm folgten der unvergessene Adam Malysz und das besondere Jahr von Sven Hannawald. Hannawald, der aus dem gleichen Ort stammt wie Jens Weißflog, gelang es 2001/02 als erstem Springer, alle vier Wettbewerbe in einem Tourneejahr zu gewinnen. Es war zugleich der letzte Sieg eines deutschen Athleten.
Von 2008/09 bis 2014/15 ging der Tourneesieg sieben Mal nach Österreich, wobei sechs verschiedene Athleten den Goldenen Adler gewannen. Seither haben zwei Athleten drei Siege auf einmal errungen. Zunächst der Pole Kamil Stoch, dem es 2017/18 wie Hannawald einige Jahre zuvor gelang, alle vier Springen zu gewinnen. Auch der andere Seriensieger, der Japaner Ryoyu Kobayashi, konnte 2018/19 diesen besonderen Erfolg feiern. Bei seinem Sieg 2023/24 gelang dem Japaner das Kunststück, trotz vier zweiter Plätze die Tournee zu gewinnen.
Zuschauermagnet Vierschanzentournee
Die vier Springen der Vierschanzentournee werden weltweit von bis zu 25 Fernsehsendern übertragen. In Deutschland zeigen die öffentlich-rechtlichen Sender die Wettkämpfe seit 2007/08, zuvor war sieben Jahre lang der Privatsender RTL für die TV-Übertragungen zuständig. Zahlreiche Expertinnen und Experten unterstützen die Berichterstattung. Auch der Spartensender Eurosport ist in jedem Winter dabei und überträgt die vier Springen im Free-TV. Mit rund sechs Millionen Zuschauern vor dem Fernseher erreicht die Tournee regelmäßig Marktanteile von über 30 Prozent. Mehr als 100.000 Zuschauer strömen zudem in die vier Stadien und sorgen vor Ort für Festivalstimmung.